Mount Valley

Tagebuch

 

 

 

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Seite 8

Zweite Woche

Samstag 

Am Samstagmorgen fahre ich schon bei Sonnenaufgang kurz vor 6.00 Uhr zum Fotografieren ins Tandalarivier. Gleich müsste mir Petrus begegnen, auf seinem Schimmel nach Sinclair galoppierend, fröhlich sein Kündigungsschreiben in der rechten Hand schwenkend. Aber Petrus scheint noch zu schlafen.

Es ist immer noch diesig, die Berge im Osten ragen nur undeutlich aus dem Dunst. Auf dem Weg in das Tandalatal stoße ich auf unsere Pachtrinder, bei denen sich ein gerade geborenes Kälbchen befindet. Meine Hoffnung, im Tandalarivier Kudus anzutreffen, erfüllt sich leider nicht. Ich stelle den kleinen Landcruiser im Rivier ab, steige aus  und untersuche den Boden, ob ich nicht wenigstens die Trittsiegel von Kudus finde. Trittsiegel von Kudus finde ich nicht. Ich mache aber eine andere, schlimme Entdeckung. Aus dem Kühler des Landcruisers tropft Wasser, und zwar mit ziemlicher Heftigkeit. Bis zum Haus sind es 8 Km. Es ist nicht lustig, diesen Weg zu laufen, und vor 9.00 Uhr wird Christa sicher nicht daran denken, nach mir Ausschau zu halten. Ich springe deshalb hastig in den Landcruiser, und fahre möglichst rasch zum Haus zurück, immer wachsam die Temperaturanzeige im Auge. Als ich am Haus ankomme, liegt die Anzeige nahe am kritischen Bereich, aber der Motor kocht nicht. Nun müssen wir auch mit dem Hilux unsere Farmtouren machen, was wir gerade vermeiden wollten, denn der wird schon als unser Reisewagen genug strapaziert. Es ist erst 7.00 Uhr und Christa ist bereits aufgestanden.

Unser Staff ist auch schon da. Maria erklärt sich bereit, auch morgen am Sonntag zum Abwasch zu kommen, weil wir Gäste erwarten. Petrus wuselt hier und wuselt da, verrichtet unaufgefordert die schmutzigsten Arbeiten, legt sich auch sofort unter den Landcruiser, als er die Pfütze darunter entdeckt und stellt ein Loch im Kühler fest. Ich hatte noch die Hoffnung gehabt, dass sich vielleicht nur ein Schlauch gelöst haben könnte. Von Kündigung ist keine Rede mehr, und auch wir verhalten uns so, als hätte es die Auseinandersetzung gestern Abend nicht gegeben. 

Die Handwerker machen eine Druckprobe der gestern verlöteten Sanitärleitungen. Es ist alles dicht. Dann beginnen sie die Badkammer innen zu verputzen. Wir wissen von früheren Baumaßnahmen, dass Putzen eine langwierige Sache ist. Die Maurer brauchen hier manchmal eine Woche, um einen eher kleinen Raum zu verputzen. Ich weiß nicht warum das so ist. Am Abend ist unsere Badkammer immerhin zu dreiviertel verputzt.

Wir erwarten heute Dietmar auf Mount Valley. Gestern haben in Namibia die Großen Ferien begonnen, die bis zum 10. Januar dauern. Dietmar ist nach Swakopmund gefahren, um Philip und Jan nach Heusis zu holen. In den letzten Wochen hat deren Großmutter Gabriele das Haus in Swakopmund gehütet. Gabriele fliegt am Dienstag zurück nach Deutschland, und Dietmar wollte auf der Rückfahrt am Freitag einen kleinen Umweg machen, und ihr die berühmten Dünen von Sossusvlei zeigen. Da es von Sossusvlei nach Mount Valley nur zwei bis drei Stunden Fahrt sind, wollen sie dann einen weiteren kleinen Umweg über Mount Valley machen, und am Montag nach Windhuk fahren. 

Christa legt großen Wert darauf, dass Mount Valley ein gastliches Haus ist. Sie steht den ganzen Vormittag in der Küche, lässt Hefeteig für Brot, Olivenkuchen und Pizza angehen, bereitet das Springbockgulasch für den morgigen 1. Advent vor, macht Vanille- und Schokoladenpudding für die Kinder, und lässt mich mit dem Schneebesen einen Teig für einen Espressokuchen anrühren, den ich mit gewisser Skepsis betrachte: 500 gr. Brauner Zucker, 450 gr. Butter, 3 Eier, 3 Eigelb "…man kann statt der angegebenen Glasur auch Kakao und Zucker über den Kuchen streuen, wenn man es nicht ganz so kalorienreich mag", steht in der Rezeptur. Ohnehin versuche ich, Christa etwas zu bremsen: Es ist nicht unüblich, dass sich angekündigte Gäste erheblich verspäten, mitunter sind sie auch erst am nächsten Tag gekommen. Dietmar ist berüchtigt, dass er seine Planungen spontan ändert. 

Mit Gästen, die erwartet werden, gibt es für uns immer ein Problem. Wir sehen unsere Gäste vom Sundownerplatz aus bereits, wenn sie noch 8 Km vom Haus entfernt sind. Natürlich benötigt man dazu ein Fernglas, auf diese Entfernung ist ein Auto mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Dadurch entsteht ein innerer Zwang, ab und zu einmal mit dem Fernglas die Pad nach Sinclair abzusuchen. Wir überlegen, wann unsere Gäste aller Wahrscheinlichkeit nach eintreffen werden, in diesem Fall denken wir, ab 13.00 Uhr. Konkret bedeutet das, dass wir ab 13.00 Uhr auf dem Sundownerplatz sitzen, uns mit Lesen die Zeit vertreiben, und alle paar Minuten durchs Fernglas schauen. Wir denken, wenn sie bis 17.00 Uhr nicht eingetroffen sind, kommen sie heute nicht mehr. 

Es ist reger Verkehr auf der Pad nach Sinclair. Erst düst Petrus mit seinem Donkeykarren nach Sinclair, um von dort einige Enkelkinder zu holen, die Gunther zu Ferienbeginn gestern aus Bethanien mitgebracht hat. Um 16.30 Uhr kommt er bereits zurück. Um 17.00 Uhr, wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass Dietmar heute noch kommt, nähert sich ein weiterer Donkeykarren. Es ist David, ein Sohn von Petrus, der auf Sinclair als Vorarbeiter arbeitet, mit seiner Frau Maria, die zu uns zum Haus kommen. Die ,Kleine Maria’ ist Küchenfee auf Sinclair, spricht sehr gut Deutsch und hat eine Sopranstimme, hell und rein wie Glockenklang. Ich habe eine Botschaft, sagt Maria mit glockenheller Stimme, Dietmar kommt heute nicht, sondern erst am Sonntagmittag. Dietmar hat wohl über Farmleitung bei uns versucht anzurufen, weil wir aber nicht im Haus waren, uns nicht erreicht, und dann auf Sinclair diese Botschaft hinterlassen. 

Wir haben schon ungemein eindrucksvolle Licht- und Farbspektakel auf Mount Valley erlebt, aber  so etwas wie heute Abend haben wir noch nicht gesehen. Am Nachmittag kommt ein leichter Wind auf, der den Dunst vertreibt. Die Berge sind so nah und plastisch wie selten, und leuchten bei Sonnenuntergang in intensiven Rottönen. Im Osten türmen sich über den Bergen dicke weiße Haufenwolken, die sich erst orange und dann pink färben, als die Farben der Berge nach Sonnenuntergang erlöschen. Als auch die letzten Strahlen der Sonne diese Wolken nicht mehr erreichen, beginnen sie ein eigenes Lichtspektakel. Blitze zucken in diesen Wolken, manchmal im Sekundentakt. Und als schließlich die Abenddämmerung der Dunkelheit weicht, beginnt am oberen Rand dieser Wolken ein schmaler Streifen erst weiß, dann gelb zu leuchten, erst schwach und undeutlich, dann immer intensiver, bis es schließlich scheint, als ob der obere Rand der Wolken brennen würde. Und endlich steigt aus diesem Flammenrand ein großer, gelber Vollmond langsam in den Nachthimmel, während unten die Wolkenberge weiter von zuckenden Blitzen aufleuchten. Das ganze Spektakel hat die Länge eines Spielfilms, und wir schauen ergriffen vom Sundownerplatz aus diesen grandiosen Naturfilm an, der vor uns abläuft.

 

 

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